Mord im Zeichen des Zen: 1 (Louise Boni) (German Edition) by Oliver Bottini

Mord im Zeichen des Zen: 1 (Louise Boni) (German Edition) by Oliver Bottini

Autor:Oliver Bottini [Bottini, Oliver]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783832188894
Herausgeber: DUMONT Buchverlag
veröffentlicht: 2015-09-21T22:00:00+00:00


11

***

IN LIEBAU LAGEN an den Straßenrändern graue Schneereste. Nur wenige Menschen waren unterwegs. Vor dem Bürgermeisteramt hing die erschlaffte baden-württembergische Fahne auf Halbmast. Darunter standen mehrere Zivil- und Streifenwagen. Sie parkte in einer Seitenstraße. Draußen herrschte eine unwirkliche Stille, als wäre der ganze Ort im Schrecken verstummt.

Kurz nach zehn. Sie hatte angerufen, Ponzelt saß seit acht an seinem Schreibtisch. Während sie einen kurzen Flur entlangging, fiel ihr ein, dass Richard Landen sich noch nicht gemeldet hatte. Sie unterdrückte ein vages Gefühl von Enttäuschung.

Eine Sekretärin führte sie zu Ponzelt. Er erinnerte sich sofort an sie.

Als sie ihm sagte, wer sie war, nickte er. Sie entschuldigte sich, sie habe gestern im Krankenhaus Hollerers wegen unter Schock gestanden. Er nickte erneut, sagte aber nichts. Er war dünn und in ihrem Alter. Sie hatte nicht den Eindruck, dass sie ihm sympathisch war.

Als er auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch deutete, setzte sie sich. Dann erkundigte sie sich nach Hollerers Zustand.

Ponzelt hatte vorhin mit dem Krankenhaus telefoniert. Hollerer war am Morgen eine Stunde wach gewesen. Er stabilisierte sich zunehmend und hatte erste Fragen beantwortet. Welche Fragen, schien Ponzelt nicht erfahren zu haben oder nicht sagen zu wollen. Seine Stimme war bedrohlich leise.

»Wer war bei ihm?«

»Der Leiter Ihres Dezernats.«

»Bermann?«

Knappes Nicken. Dann sagte Ponzelt: »Ich dachte, Sie sind im Urlaub, aber offenbar stimmt das nicht?«

Sie lehnte sich zurück. Das Gespräch versprach spannend zu werden. »Im Prinzip schon.«

»Interessant.« Ponzelt warf einen Blick aus dem Fenster, dann sah er sie wieder an. Er wirkte sehr müde und sehr entschlossen. »Erklären Sie mir den Unterschied zwischen Urlaub machen und im Prinzip Urlaub machen.«

»Eine Frage, dann bin ich weg, okay?«

»Mir wär’s lieber, Sie wären schon vorher weg.«

Sie schüttelte den Kopf. »Beantworten Sie meine Frage, dann geh ich.«

Ponzelt stützte sich auf die Ellbogen und musterte sie. Die Kälte in seinem Blick ging ihr durch Mark und Bein. »Ich weiß nicht, wie lange ich noch höflich bleiben kann.«

»Finden Sie, Sie sind höflich?«

Er starrte sie an. Dann sagte er: »Sie verstehen eines nicht.« Er stand auf und trat ans Fenster. Erst jetzt bemerkte sie, wie dünn er war. Hyänendünn, geierdünn, mit langem Hals und knotigem Nacken. Sie grinste.

Aber sie spürte, dass seine Bestürzung angesichts der Ereignisse echt war. Ein Speichellecker, der auf dem rücksichtsfreien Weg nach oben von Bestürzung eingeholt worden war. Inwieweit dabei eine Rolle spielte, dass er mit seinen Söhnen beim Skifahren gewesen war, als auf Hollerer und Niksch geschossen wurde, konnte sie nicht beantworten.

»Was verstehe ich nicht?«

Ponzelt wandte sich zu ihr um. »Das alles ist nur wegen Ihnen passiert. Wenn Sie und der Japaner nicht gewesen wären, dann wär das nicht passiert. Dann würde der Niksch noch leben, und der Hollerer würde in diesem Moment da sitzen, wo Sie jetzt sitzen, wie seit vielen Jahren jeden Mittwoch um elf.« Kein Vorwurf, keine Interpretation, keine Meinung – seine kraftlose Stimme hatte keinen Zweifel daran gelassen: Dies war die Wahrheit.

Ihr Atem stockte. Aber es gelang ihr, Ponzelts unnachgiebigem Blick standzuhalten. Sie wollte aufstehen, Hollerers Stuhl freigeben, doch sie konnte sich nicht bewegen.

»Darum«, sagte Ponzelt, »wollen unsere Leute Frauen wie Sie und Fremde wie den Japaner hier nicht haben.



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